Pressemitteilung
Gericht: Betroffene darf über sexuelle Belästigung durch Ex-Kommunalpolitiker berichten
Ein Kommunalpolitiker fasst einer Frau an den Hintern, sie zeigt ihn an. Der Mann zog sich von seinen politischen Ämtern zurück, das Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage durch die Staatsanwaltschaft eingestellt.
Ein paar Jahre später will der Mann wieder ein politisches Amt ausüben. Die Betroffene kommentiert unter einen Facebook-Post der Partei: „Ist X, der mir an den Po gefasst hat und dafür 996€ an den Frauennotruf Lübeck bezahlt hat, um nicht bestraft zu werden, noch immer Mitglied bei euch?“ Dabei nennt sie den vollen Namen des Ex-Politikers.
Das kann ihr rechtlich nicht untersagt werden, so das Landgericht Lübeck mit Urteil vom 19.06.2025. Das Gericht stellte fest, dass die Äußerung zwar das Persönlichkeitsrecht des Mannes beeinträchtigt, jedoch nicht rechtswidrig ist. Nach einer umfassenden Abwägung der Interessen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht der beklagten Frau auf Meinungsfreiheit das Persönlichkeitsrecht überwiegen.
Die Kammer betont, dass die Äußerung eine wahre Tatsachenbehauptung darstellt und der Sozialsphäre des Verfügungsklägers zuzuordnen ist. Zudem gebe es an der Person des Verfügungsklägers wegen einer politischen Tätigkeit und öffentlichen Präsenz weiterhin ein öffentliches Interesse. Die Verfügungsbeklagte habe die Äußerung anlassbezogen im Kontext des Wahlkampfes getätigt, ohne eine unverhältnismäßige Stigmatisierung des Verfügungsklägers zu bewirken.
Die Betroffene, Sophie Bachmann, zeigt sich erleichtert: „Es kann nicht sein, dass ich belästigt werde und mir danach verboten werden soll, darüber zu sprechen. Dieses Verfahren ist nur die Spitze des Eisbergs eines jahrelang andauernden Streits. Ich habe eine Reihe von Einschüchterungsversuchen aus der Lokalpolitik erlebt. Schlussendlich habe ich mein politisches Engagement aufgegeben, denn der Vorfall und das Verfahren haben mein Privatleben stark beeinträchtigt. Meine Hoffnung ist, dass das Urteil mir ermöglicht, endlich mit den Erlebnissen abzuschließen.“
Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge, der das Verfahren für Sophie Bachmann geführt hat, erklärt dazu: „Die Entscheidung des Landgerichts stärkt die Meinungsfreiheit. Betroffene dürfen darüber berichten, wenn sie sexuell belästigt wurden. Vor allem, wenn sich die Beteiligten im politischen Raum bewegen, muss eine öffentliche Diskussion über den Umgang mit Belästigungen möglich sein.“
Die Entscheidung ist im Eilverfahren ergangen und noch nicht rechtskräftig. Der Verfügungskläger kann Berufung einlegen.
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Jasper Prigge (PRIGGE Recht)
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