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Sprechverbot über Pograpscher: Entscheidung nun beim Oberlandesgericht


Am 19.06.25 hatte das Landgericht Lübeck entschieden: Ich darf öffentlich darüber sprechen, dass ich durch einen Kommunalpolitiker sexuell belästigt wurde. Doch dieser hat nun Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig steht noch aus. Ein Termin wurde bisher nicht festgelegt.

Den Satz „Heute darf man ja gar nichts mehr sagen!“ habe ich schon oft gehört und nie geglaubt. Bis ich angefangen habe, öffentlich über eine sexuelle Belästigung zu sprechen, die ich im Jahr 2018 erlebt habe.

Das absurde an der Geschichte ist: sie ist wahr und niemand bestreitet das, auch der Belästiger nicht. Deshalb stellte auch das Gericht fest: Es handelt sich um eine wahre Tatsachenbehauptung. Doch dieser Fakt hindert den Mann nicht daran, gerichtlich gegen mich vorzugehen. Und meine Meinung dazu ist klar: Das ist unmöglich! Eine Frau zu belästigen ist falsch. Das in einer politischen Machtposition zu tun, ist noch falscher. Danach, obwohl selbst einem Gerichtsprozess entgangen, das Opfer vor Gericht zu zerren und ihm dort ein Sprechverbot erteilen zu wollen, das halte ich für am falschesten.

Die strafrechtliche Bewertung der Belästigung war für ihn vorteilhaft: die Staatsanwaltschaft und sein Anwalt haben sich darauf geeinigt, dass eine Geldzahlung an eine gemeinnützige Organisation ihn vor einer Strafe bewahrt. Doch das, was ich fühle, verpufft damit nicht einfach. Besonders dann nicht, wenn ich im letzten Kommunalwahlkampf vor einem Plakat der CDU stehe, der Belästiger mich von oben herab angrinst und unter seinem Namen steht der CDU-Slogan „Anpacken für Lübeck“.

Sein Vorwurf nun an mich: ich hätte sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Denn er hätte jetzt, sieben Jahre später, das „Recht auf Vergessen“.

Blöd nur, dass ich die Belästigung nicht vergessen habe und auch nicht vergessen kann. Ganz im Gegenteil. Denn die Folgen der Belästigung auf meiner Seite halten bis heute an. Und das nicht zu knapp.

Ich denke, es gab eine Art Schneeballeffekt.

Zum Zeitpunkt des Übergriffes war ich noch in der SPD, der Belästiger auch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es viele Mitglieder in der SPD gab, die auf gar keinen Fall eine Berichterstattung wollten, die das Ansehen der SPD in Lübeck beschädigen konnte. Es war also klar, dass die Geschichte am besten keinen Weg nach draußen finden sollte. Dabei ging es um viel, um die Vormachtstellung der Partei in der Stadt, es ging um Jobs, um Geld, um Ansehen. Meines Wissens nach hat die SPD in Lübeck rund 1.000 Mitglieder und für viele von ihnen sind die Parteistrukturen Zuhause, Familienersatz, Identifikation… ein „guter Ort“ mit Freundschaft eben, den es zu beschützen gilt. Und ein Ort der Macht, des Einflusses, der Gestaltungsmöglichkeiten, der Selbstwirksamkeit. Viele sind seit vielen Jahren und seit Generationen in der SPD.

Es fing mit einer Mail eines Parteifunktionärs an, in der mir von ihm angedroht wurde, mich öffentlich bloßzustellen. Ich hätte unerlaubt umarmt, d.h. Menschen mit Umarmungen belästigt. Er wusste natürlich, dass dem Übergriff eine Umarmung vorausging, von denen es in der SPD natürlich viele gab. Selbiger schrieb später eine Mail an den Bundestagsabgeordneten mit dem Satz: „Die ist doch auf dem Weg in eine tiefgreifende Persönlichkeitsstörung.“ Ich war in cc. Damit trafen mich gleich zwei Mechanismen: Schuldumkehr und für verrückt erklären.

Ein anderer Parteifunktionär zeigte mich an. Wegen Beleidigung und übler Nachrede. Eine Anzeige ohne Grundlage. Ich hatte keine einzige Unwahrheit gesagt.

Der Bürgermeister drohte mir ebenfalls mit einer Anzeige.

Der Bundestagsabgeordnete schickte mir eine Unterlassungserklärung zu, die ich unterschreiben sollte. Er störte sich an zwei Sätzen, die er gesagt bzw. geschrieben hatte: (1) „Ich halte mich da raus.“ und (2) Ich werde mich und andere mit allen Mitteln beschützen“ (sinngemäß).

Opfer einer Belästigung zu werden, das ist schon gar nicht schön. Aber in der Kombination mit dem, was danach passierte, war es für mich katastrophal.

Zum Zeitpunkt des Übergriffes hatte ich eine Familie, einen guten Job und ein erfüllendes Ehrenamt. Das alles habe ich jetzt nicht mehr. Dafür aber Angstzustände.

Jetzt stehe ich vor Gericht. Aber nicht als Opfer, sondern als Täterin.

Darf so etwas passieren? Ich meine NEIN.

Es bleibt mir nur zu hoffen, dass das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichtes bestätigt.