einmalig

„Ich habe jetzt ein kleineres Leben“ sagte sie zu ihm.
In ihrer Stimme schwang deutlich ein bisschen Wehmut mit, das spürte er genau. Aber er spürte noch mehr: Klarer war sie geworden. Eindeutiger. 
„Vermisst du dein altes Leben?“ fragte er sie. 
Sie dachte lange nach. 
„Es war so laut in meinem Leben, dass ich die Stimmen in mir nicht hören konnte. Die Stimme meines Körpers und die Stimme meiner Seele. Wenn nun der Lärm wieder losginge… Nein… das würde ich nicht wollen.“
Sie machte eine lange Pause.
Er sagte nichts. Er merkte, dass da noch mehr war, was sie zu sagen hatte. 
„In der Stille, da hören wir auch die Stimme unserer Angst. Ich war gezwungen, ihr zuzuhören. An diesem einen Tag, da kroch die Angst mir die Füße hoch, in meine Beine, sie erreichte meinen Bauchnabel. Ich bekam kaum noch Luft. Dachte, wenn die Angst mein Herz erreicht, dann sterbe ich. So dankbar war ich über den Tipp, dass ICH das Zepter in der Hand trage und dass ich bestimme, welche Gefühle ich zulasse. Diesem Gefühl habe ich gesagt, es soll wieder gehen. Ich habe es die Beine runter gedrückt, bis in meine Füße. Dann war es wieder weg. Aber ab diesem Moment wusste ich, dass ich sie in mir trug.“

„Wovor hast du Angst? Jetzt, in diesem Moment?“ fragte er sie.

„Ich habe Angst, dass ich leide. Ich habe Angst, zu altern. Ich habe Angst, nicht mehr schön zu sein. Ich habe Angst, etwas zu verlieren, das ich liebe. Ich habe Angst davor, dass manche meiner Lebensträume unerfüllt bleiben. Ich habe Angst etwas zu verpassen. Ich habe Angst davor, zu wenig Lebenszeit zu haben, für all das, was ich erleben will. Ich habe Angst vor dem Tod.“ 

Er schaute sie lächelnd an. „Lebe!“ sagte er zu ihr. 
„Lass dich nicht von deiner Angst leiten. Lass dich leiten von dem, was du für ‚richtig‘ hältst. Für andere wird es falsch sein und bei einigem, was du tust, wirst du im Nachhinein vielleicht auch denken, dass es falsch war. Du wirst deinen Fehlern nicht entkommen. Du bist gut, wenn du an dir arbeitest und dich bemühst, ein Leben zu führen, das für dich gut ist und anderen nützt. Mach deinen Dienst an der Gesellschaft und genieße das, was du hast. Denn du hast recht, die Lebenszeit ist nicht unendlich. Die Chance, die dir geschenkt wurde, das Leben, die gilt es zu ergreifen. Wer weiß, ob deine Seele noch einmal diese Chance bekommt.“